cg - Dresden, früher Nachmittag, tiefer Himmel über dem Waldpark. Die Wetterprognosen? Eher ein drohender Zeigefinger als freundlicher Begleiter. Und doch: Was sich an diesem fünften Spieltag der 1. Bundesliga der Damen zwischen dem gastgebenden TK BW Dresden und dem LTTC „Rot-Weiß“ aus Berlin abspielte, war nichts weniger als ein Drama in mehreren Akten – mit donnerndem Applaus, platzenden Plänen und einer Pointe, die man so nicht schreiben kann. Man muss sie erleben. Oder wenigstens erzählen.
Schon beim Eintreffen der „Rot-Weißen“ spürt man es: Hier geht’s um mehr als einen Bundesliga-Spieltag. Der Blick geht zum Himmel, die Gedanken aber kreisen um den Klassenerhalt. Ein Sieg muss her. Im Vorjahr wurde Dresden am letzten Spieltag besiegt – der Vizemeistertitel war der Lohn. Diesmal ist alles anders. Diesmal kämpft Berlin ums sportliche Überleben.
Startschuss mit Verspätung – aber Knalleffekt
Es ist kurz nach 13:00 Uhr – zwei Stunden später als geplant. Die ersten Matches rollen über den Livescore. Anica Stabel startet furios. 6:0 im ersten Satz gegen Clara-Marie Schön. So deutlich, dass selbst die mitgereisten „Schlachtenbummler“ zwischen Bratwurst und Bang Bang Shrimp plötzlich schweigen – zu überrascht von der Berliner Wucht. Auch Jenny Duerst zeigt ihre Klasse: Satz eins mit 7:5 gegen Ilinca Dalina Amariei, die 100 Plätze hinter ihr im WTA-Ranking liegt.
Wenig später ist es Stabel, die den ersten Berliner Matchpunkt fix macht: 6:0, 6:2 – eine glasklare Ansage ans gegnerische Lager und ein willkommenes Adrenalin-Update fürs Team. Parallel zermürbt Jessie Aney ihre Gegnerin Lara Schmidt in einem Tiebreak-Krimi mit 7:6(5). Die mentale Stabilität der US-Amerikanerin ist bemerkenswert. Der Plan lebt.
Doch dann... Regen. Wind. Pause. Und das inmitten des Match-Tie-Breaks zwischen Jenny Duerst und Amariei. Das Momentum? Weg. Die Spannung? Unermesslich. Beide Teams blicken in den Himmel, das Publikum in den Halleneingang. Es wird umgezogen – von Sand auf Hartplatz. Neue Bühne, gleiches Stück.
Duerst bleibt cool. Nach wenigen Minuten Indoor-Eingewöhnung greift sie erneut an. Drei Matchbälle. Zwei vergeben. Der dritte sitzt. Punkt Nummer drei für „Rot-Weiß“. Die Bank springt, auch wenn längst nicht alles glattläuft. Noch sind vier Einzel im Feuer.
Perrin mit dem Presslufthammer – Aney eiskalt
Conny Perrin, die Präzisionsmaschine aus der Schweiz, demontiert Sara Dols in unter 50 Minuten. 6:0, 6:1. Auf dem Nebenplatz liefert sich Jessie Aney ein echtes Duell mit Lara Schmidt – wieder Tie-Break, wieder Aney: 7:6(5), 6:4. Die „Kasse“ klingelt, die Teamführung wächst. 4:0 – eine Momentaufnahme mit Duftnote nach Vorentscheidung.
Doch dann der Bruch. Makarova und Papadakis verlieren jeweils ihre dritten Sätze. Die Dresdner Gegnerinnen beißen sich zurück, holen Punkt fünf und sechs – plötzlich steht’s „nur noch“ 4:2. Und der Zeitdruck ist real: Perrin und Aney haben Flüge. Plan B? Ein Doppel opfern. Plan C? Verletzungen. Und tatsächlich: Die abschließenden Doppel finden nicht mehr statt. Duerst (Berlin), Schmidt und Schön (beide Dresden) müssen verletzt passen. Was auf dem Papier nüchtern aussieht, war ein fiebriger Balanceakt auf rutschigem Hallenboden.
Endstand: 6:3. Doch das sagt längst nicht alles.
Mit dem Sieg rückt der LTTC „Rot-Weiß“ auf Rang fünf der Tabelle vor. Die Abstiegsränge? Vorerst auf Distanz. Die Verschnaufpause? Hochverdient. Aber eines ist klar: Wer solche Matches gewinnt, hat mehr als nur Punkte auf dem Konto. Dieses Team hat Moral, Biss – und das Herz am richtigen Fleck.
Nach der Bundesliga-Pause warten mit dem TC Bredeney und dem Club an der Alster zwei weitere Härtetests. Und dann heißt es: Heimspiel in Berlin. 12. Juli 2025, 12:00 Uhr, alles oder nichts. Wer bei diesem Auswärtssieg mitgefiebert hat, sollte den Heimvorteil nicht verpassen. Denn eines hat dieser Spieltag gezeigt: Tennis kann alles sein. Nur nicht planbar. Und manchmal ist ein 6:3 der lauteste Befreiungsschrei.